Das Geheimnis des Cannonau
Herbst ist Weinlesezeit, und in diesen Tagen wird auf Sardinien wieder ein Wein geerntet, den man als die Essenz der Insel bezeichnen könnte: der Cannonau. Dieser urige, kräftige Tropfen ist wie geschaffen dafür, ihn gemeinsam mit den rustikalen Spezialitäten zu genießen, für die Sardinien berühmt ist: würziger Pecorino, luftgetrocknete Wildschweinsalami, Ziegenschinken, Oliven… Das ist nicht nur köstlich, sondern (in Maßen genossen) auch gesund. Dazu trägt nicht zuletzt der Cannonau bei, denn er enthält mehr Antioxidantien als jeder andere Wein (!), und diese schützen bekanntermaßen vor Herz- und Gefäßerkrankungen. Vielleicht ist dies einer der Gründe für die Langlebigkeit der Sarden.


Der beste Cannonau gedeiht in der Osthälfte der Insel, und zwar sowohl in der Küstenregion zwischen Orosei und Bari Sardo als auch im bergigen Hinterland rund um Nuoro, Ogliastra and Atzara bis hinunter nach Cagliari.

Die Spitzenlagen finden sich in drei Regionen: Der Nepente di Oliena wird im Gebiet um das Städtchen Oliena im Osten der Provinz Nuoro angebaut, der Capo Ferrato kommt aus dem Gebiet um die Orte Castiadas, Muravera, San Vito, Villaputzu und Villasimius im Südosten der Insel, und der Jerzu aus der Gegend von Jerzu und Cardedu. Einmal geerntet, reift der Wein 2-6 Jahre; er ist von tief rubinroter Farbe und hat einen Alkoholgehalt von mindestens 12,5%. Er ist die am häufigsten produzierte Weinsorte der Insel und wird mehr als jeder andere mit Sardinien in Verbindung gebracht. Dass diese Verbindung zwischen Sardinien und dem Cannonau über das rein Quantitative hinausgeht, mag mancher Sarde geahnt haben. Seit 2004 ist es aber wissenschaftliche Gewissheit, denn in diesem Jahr hat eine Gruppe von Forschern an der Universität Mailand das Geheimnis des Cannonau gelüftet.
Lange Zeit hatte man angenommen, dass die Cannonau-Rebe, die in Spanien unter dem Namen Garnacha und in Frankreich als Grenache bekannt ist und angebaut wird, im 15. Jahrhundert von den Spaniern auf die Insel gebracht wurde. Jetzt weiß man, dass es sich umgekehrt verhält – die Spanier haben den Cannonau mitgenommen! Der Grenache, der mittlerweile in Weinbaugebieten weltweit angebaut wird, hat seinen Ursprung auf Sardinien. Mehr noch – die Sarden haben ihren Cannonau bereits in der mittleren Bronzezeit angebaut, das heißt, dieser Wein hat auf der Insel eine mindestens dreitausendjährige Tradition. Diese Erkenntnis verdanken wir einem außergewöhnlichen Fund: Bei Ausgrabungen in der Nuraghensiedlung vo La Osa in der Provinz Oristano wurde eine prähistorische Vorratskammer entdeckt, gefüllt mit außergewöhnlich gut erhaltenen Sämereien, darunter Cannonau-Traubenkerne, die mit der Radiokarbonmethode auf die Zeit zwischen 1270 und 1150 v. Chr. datiert wurden. Der Cannonau ist also mehr als nur ein Wein – er ist ein Stück lebendige sardische Geschichte.

In diesem Sinne verabschiedet sich für heute mit einem “Cin cin!” und einem sardischen “Adiosu”
Ihr Joachim Waßmann
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