Die Pasta-Omis von Sardinien

Der Jahresbeginn ist eine triste Zeit – Glanz und Glitzer von Advent und Weihnachten sind vorbei, die Bäume sind kahl, alles ist graubraun, es wird immer noch viel zu früh dunkel und die Sonne zeigt sich nur ausnahmsweise. Doch zum Glück gibt es ein probates Mittel gegen die Tristesse: Pasta! Für mich ist sie ein echtes „comfort food“, ein Essen, das Trost und Behaglichkeit spendet und, ganz nebenbei, Urlaubserinnerungen an meine Lieblingsinsel weckt.

Wer Kalorien sparen oder sich auch nur stilgerecht auf die große abendliche Pastasause einstimmen möchte, dem empfehle ich meine neueste Entdeckung: Die Pasta-Grannies, italienische Großmütter, die von Hand Pasta herstellen. Zu bewundern sind sie auf YouTube, und diesen teilweise über neunzigjährigen Damen dabei zuzusehen, wie sie daheim in ihren Küchen teilweise irrwitzig elaborierte Pastavarianten zaubern, vertreibt jede Winterdepression – garantiert!

Uns interessiert hier natürlich vornehmlich sardische Pasta, und nicht weniger als 11 Pasta-Omis aus Sardinien zeigen auf YouTube ihre Kochkünste. Fünf meiner Lieblinge möchte ich Ihnen hier vorstellen. Beginnen will ich mit einer Pastaspezialität, die wohl jeder kennt, der schon einmal auf Sardinien war: den Malloreddus (wörtlich: männliche Kälbchen). Auf den ersten Block könnte man sie für Gnocchi halten, doch die Ähnlichkeit endet bei der äußeren Form. Wie die Malloreddus hergestellt werden, macht staunen. Anna Manai zeigt uns, wie es geht:

Ich könnte stundenlang dabei zusehen, wie Singnora Manai Malloreddus rollt, und würde mir durchaus zutrauen, sie mit etwas Übung selbst herzustellen. Anders sieht es bei den Lorighittas (sardisch für „Ohrringe“ aus. Diese vom Aussterben bedrohte Pasta wird seit hunderten von Jahren ausschließlich in dem Bergdörfchen Morgongiori in der Provinz Oristano hergestellt und traditionell an Allerheiligen gegessen. Den jungen Frauen des Dorfes ist die Herstellung aber mittlerweile zu umständlich, und so ist die 93 Jahre alte Cesaria vielleicht eine der Letzten, die diese Technik noch beherrschen:

Weniger Anlass zu Kulturpessimismus bieten Sos Cannisones, eine spezielle Makkaroniform aus Zentralsardinien. Es ist herzerwärmend, zuzuschauen, wie drei Generationen einer sardischen Großfamilie einträchtig bei der Herstellung mithelfen, indem sie den Teig kneten, ihn durch den Wolf drehen und die entstandenen Nudeln auslegen und kochen (die Frauen) oder indem sie für musikalische Begleitung und Qualitätskontrolle sorgen (die Männer), und wie am Ende dann alle gemeinsam die köstlichen Cannisones verputzen:

Eine weitere Pasta-Rarität, die es möglicherweise nicht mehr lange geben wird, ist die unfassbar filigrane Filindeu („Wolle Gottes“). Ganze drei ältere Damen in Nuoro verstehen sich noch auf ihre Herstellung. Eine dieser Virtuosinnen kann man hier bewundern:

95 Jahre alt und damit wohl eine der ältesten Pastaköchinnen der Welt ist Giuseppa Porcu aus Ozieri. Sie fertigt eine lokale Pastavariante namens Maccarones de Ungia (Fingernägel) sowie die sehr ähnlichen Malloreddus, womit sich der Kreis zum Anfang schließt:

Zu beobachten, mit welcher Verve die rüstige Seniorin den Teig bearbeitet, lässt nur einen Schluss zu: Pasta ist ein wahres Lebenselixier! In jedem Falle habe ich jetzt Lust bekommen, meine eigene frische Pasta herzustellen, und verabschiede mich mit einem sardischen „Adiosu“ in meine Küche.

Herzlich

Ihr Joachim Waßmann

 

Beitragsbild: Malloreddus. Anna Guerrero, Pexels