Die Römer auf Sardinien - Ein Kampf zweier antiker Kulturen

Die Sarden waren stets ein eigenbrötlerisches, freiheitsliebendes Volk. Schon in der Antike wehrten sich die sardischen Ureinwohner, als die Römer Sardinien „zivilisieren“ wollten, und da waren sie zu jener Zeit keineswegs die einzigen. Gern wird in diesem Zusammenhang von „Freiheitskämpfen“ gespochen. So feiern beispielsweise die Deutschen bis heute den Sieg der Cherusker über die Römer. Aber ist dies wirklich nur ein Grund zum Feiern? Ging nicht vielmehr auch etwas verloren, als die Römer aus den von ihnen eroberten Territorien vertrieben wurden?

Fordongianus - eine römische Stadt auf Sardinien

Fordongianus - eine 2.000 Jahre alte, “moderne” Stadt

Gestern machte ich mit Gästen einen Ausflug nach Tiscali, eine vorgeschichtliche Siedlung der Nuraghenkultur. Heute haben wir Fordongianus besichtigt, eine etwa zeitgleich entstandene römische Siedlung. Der Vergleich macht mich sprachlos: 2000 Jahre ist dieser römische Stützpunkt alt, aber eigentlich doch hochmodern und mit Annehmlichkeiten versehen, von denen die Sarden in Tiscali und anderen Dörfern nur träumen konnten.

Als die Römer Sardinien besetzten

Es liegt mir fern, die Nuraghenkultur hier abzuwerten, waren ihre Angehörigen doch zu erstaunlichen baulichen und ingenieurtechnischen Leistungen fähig - man denke nur an die geheimnisvollen Turmbauten, die Nuraghen, die dieser Kultur ihren Namen gegeben haben und die noch heute an vielen Stellen der Insel zu bestaunen sind, oder an das unfassbar präzise gebaute Brunnenheiligtum von Santa Cristina, das obendrein davon zeugt, dass die Sarden der Bronzezeit über umfassende und genaue astronomische Kenntnisse verfügen. Offenbar lag es also nicht an mangelnden Fähigkeiten, dass sie in Bezug auf Wohnkomfort den Römern so weit hinterher hinkten. Aber wäre es nicht klug gewesen, sich von den Besatzern das  eine oder andere abzuschauen, statt sie zu bekämpfen?

Im Gegensatz zu den Dörfern der Ureinwohner Sardiniens wurde die römische Siedlung Fordongianus nicht versteckt in den Bergen erbaut, sondern ganz offen am Ufer eines Flusses. Warum auch nicht? Als die Römer Sardinien besetzen, waren sie mächtig und mussten zur Blütezeit ihres Reiches Feinde nicht fürchten. Wehranlagen waren überflüssig. Direkt am Fluss und um die 54 Grad heiße Thermalquelle herum bauten sie ihre Stadt. Und zwar mit allem, was auch heutige Städte auszeichnet, wenn man davon absieht, dass die Energieversorgung eine andere war. Die antiken Thermen hätten als Blaupause für unsere heutigen Wellnesstempel dienen können: Dampf- und Schwitzbäder, Kalt-, Warm- und Heißwasserbecken, Massage- und Ruheräume, Bewirtung, alles war vorhanden!

Es braucht ein wenig Phantasie, um aus den Ruinen im Geiste das römische Fordongianus auferstehen zu lassen. Aber wie komfortabel muss es gewesen sein,  im Vergleich zu den Nuraghendörfern der Ureinwohner Sardiniens! Es gab gepflasterte Straßen, Häuser aus Stein mit Wasser- und Abwasserversorgung, Geschäfte und Kneipen. Alle “modernen” Annehmlichkeiten waren vorhanden!

Niedergang einer Zivilisation

Mit dem Untergang des römischen Reiches ging es auch mit Fordongianus bergab. Eine Zeitlang herrschten die Byzantiner hier. Aus dieser Zeit stammen die  Überreste der christlichen Kirche San Pietro. Danach kamen die Spanier als Eroberer nach Sardinien und hinterließen einen Adelspalast. Aber das war es dann auch. Das Bedauerliche: Mit dem Sieg über die Römer ist auch ihr Know-how verloren gegangen, und zwar nicht nur in Sardinien. Wir wissen ja, dass beispielsweise Köln erst im 19. Jahrhundert wieder an den städtebaulichen Standard der alten Colonia Agrippina anknüpfen konnte. Dazwischen liegen fast 2.000 Jahre!

All diese Gedanken schossen mir während der Besichtigung durch den Kopf. Haben sich die Sarden, Cherusker, Vandalen, Germanen und wie die Totengräber der römischen Kultur alle heißen mögen, mit dem Sieg über die Römer wirklich einen Gefallen getan? Was hätte es sie gekostet, die Kultur zu adaptieren, statt sie zu zerstören?

Ein Plädoyer für die antiken Besatzer

Wir wissen, dass die Römer ihre Untertanen – wie später Friedrich der Große – nach ihrer Fasson selig werden ließen, das heißt, niemand wurde gezwungen, seine Götter zugunsten der römischen aufzugeben. Zugleich sorgten die Römer für Frieden und Wohlstand. Als Gegenleistung hätten die Noch-Nicht-Neubürger, die sich nach eigenem Verständnis dann ausgebeutet und unterdrückt sahen, Steuern zahlen müssen. Na und? Tun wir das nicht auch? Welcher zivilisierte Staat kommt ohne aus? Sardinien und die Sarden hätten vom Einfluss der römischen Kultur durchaus profitieren können - so zeigt es jedenfalls der Vergleich von Tiscali und Fordongianus.

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Ihr Joachim Waßmann

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