Trilogie über Graziano Mesina – Teil 3 „Das Ende“

(Neulinge in diesem Thema sollten mit Teil 1 beginnen)

Als Mesina 2004 begnadigt wurde, war er nach über 50 Jahren Gefängnis bzw. Hausarrest erstmals wieder ein richtig freier Mann. Er hatte alle Höhen und Tiefen seines Knacki- und Promilebens durch- und überlebt. Ein neues Kapitel konnte beginnen. Man durfte gespannt sein, was er mit dieser Freiheit machen würde. Meine Freunde in Sardinien hatten da keinen Zweifel: „Der ist ein gebrochener Mann. Wenn er schon den Präsidenten der Republik um Gnade anbettelt, passiert nicht mehr viel!“ Damit meinten sie die Blutrache und die Begleichung der noch offenen „Rechnungen“. Sie sollten Recht behalten, aber anders als sie glaubten.

Was lag näher für ihn, der in seinem Leben niemals ein Handwerk oder einen Beruf erlernt hatte, als aus dem Kapital zu schlagen, was ihn ausgezeichnet hatte? Er ließ sich also in seiner Heimat  nieder und arbeitete als Touristenführer.  Nachdem Orgosolo mit seinen Murales und dem Ruf eines verruchten Banditennestes zu einer Touristenattraktion geworden war, gab es für die Reiseveranstalter, die ihn engagiert hatten, nun das „Sahnehäubchen“: Der berühmteste Bandit Europas führt ihre Touristen an die Stätten seiner Vergangenheit!

Das bescherte ihm einerseits ein Auskommen, andererseits aber gab es ihm Gelegenheit, an einem Mythos zu stricken, den die Medien und die Politik ihm verschafft hatten. So blieb er prominent, wurde zu politischen Foren eingeladen und war immer noch eine Story in der Regenbogenpresse wert.  Endlich schien er angekommen zu sein …

Da zerriss am 10. Juni 2013 eine Meldung die Idylle: Mesina verhaftet! Auf Nummer Sicher im Hochsicherheitsgefängnis „Badu e Carros“ in Nuoro, zusammen mit den Mafia-Paten Toto Riina, Bernardo Provenzano und anderen. Was war passiert?

Meine sardischen Freunde vermuteten sofort ein neues Komplott der Polizei, wahrscheinlich angestiftet von seinen politischen Gegnern. Vor 14 Tagen erst sei er doch noch auf dem Festival von Gorizia vor 600 Gästen medienwirksam interviewt worden und habe sich nicht gescheut, da auch über gewisse Politiker Klartext zu reden …

Die Realität, wenn nicht alles täuscht, sieht leider so aus:

Die Katze lässt das Mausen nicht. Mesina ist unter die Bosse gegangen. Verbündet mit der kalabrischen Mafia. Der Fremdenführer war nicht das Korsett, das zu ihm passte. Es taugte nur zur Tarnung. Er dealte als Distributor in großem Stil mit Heroin, Kokain und Cannabis. Außerdem plante er Überfälle, Raub und Entführungen, ganz wie zu seinen besten Zeiten. Als man ihn im Haus seiner Schwester in Orgosolo verhaftete, leistete er keinen Widerstand.

mesina_verhaftung

Er stand schon seit einigen Jahren unter Verdacht. Mit großer Vorsicht wurde ermittelt, weil man ihn nur zu gut kannte. Als 2013 die Falle zuschnappte, waren daran – wie zu seinen besten Zeiten – über 300 Carabinieri und Spezialeinheiten beteiligt. Über die ganze Insel verteilt kam es zu zeitgleich angesetzten Razzien. Dabei wurden 25 „pezzi da novanta“* festgenommen, deren Liste sich wie das Who Is Who seiner ehemaligen Weggefährten liest.

Das ist die Geschichte eines Mannes, der auf dem Weg war, ein sardischer „Nationalheld“ zu werden und als Drogenbaron endete. Das hat seine Heimat weiß Gott nicht verdient! Wenigstens ist Orgosolo, dem nach unvergesslichen Erlebnissen meine besondere Sympathie gilt, jetzt banditenfrei.

Oder doch? Denn nun ist der Ort zum Leidwesen der Reiseveranstalter um eine Attraktion ärmer.

So endet der Mythos vom sardischen Robin Hood. Einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde wird er sich in den nächsten Jahren aber doch noch verdienen:

Den des am längsten inhaftierten Gangsters aller Zeiten.

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann

 

Anmerkungen:

Ein „pezzo da novanta“ ist eine Persönlichkeit von großem Einfluss. So werden im Volksmund u.a. wichtige Politiker und Wirtschaftsbosse bezeichnet.

Wen es interessiert, was ich in Mesinas Heimatdorf Orgosolo erlebt habe, klickt hier.

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