Die spinnen, die Sarden…

…würden Asterix und Obelix konsterniert konstatieren. In Sardinien werden nämlich zwei Osterfeste begangen, ein großes (pasca manna) und ein kleines (paschixèdda). Für Gallier unverständlich. So etwas Irres können sich nur Hinterhof-Römer ausdenken.

 

Ich als Schrumpfgermane hingegen sehe das anders. Tatsächlich gibt es ja auch bei uns in Deutschland an Ostern zwei Feiertage, nämlich Ostersonn und -montag. In Sardinien sind das „pasqua“ und pasquetta“. Ostern wird auch in Sardinien an zwei Tagen begangen, wobei der Montag halt zur sprachlichen Unterscheidung mit der Endsilbe „…quetta“ (=niedlich, klein) belegt wird. Für mich gibt es jedenfalls keinen Grund, die Sarden „Spinner“ zu nennen. Oder doch?

Ich liebe Pasquetta ganz besonders, und alle Gourmets der Welt vermutlich auch. (Veganer, Veganerinnen, Vegetarier, Vegetarierinnen und deren Verwandte bzw. Verwandtinnen nehme ich hier vorsichtshalber aus, denn Milchlämmer und -ziegen sind nichts für Zartbesaitete.) Die kommen nämlich an Ostern auf den Tisch, und damit befinden sich die Sarden in allerbester christlicher Tradition, ganz im Gegensatz zu den heidnischen Galliern, die vorzugsweise Wildschweine rösten.

Allerdings trügt der Schein. Das kleine und das große Osterfest sind nämlich mitnichten Ostersonn- und .Montag, sondern, man höre und staune: Weihnachten und Ostern!

Weihnachten (Paschixèdda) ist dabei das kleine, und Ostern (Pasca Manna) das große Fest. Ostern ist also für die Sarden wichtiger als Weihnachten! Das ist fürwahr überraschend, und auf diesem Hintergrund kann ich Asterix und Obelix nur beipflichten. Dass Weihnachten viel wichtiger ist, verrät doch schon der Vergleich des Weihnachtsmannes mit dem Osterhasen. Letzterer ist doch ein echtes Leichtgewicht. Unvorstellbar, die beiden gegeneinander antreten zu lassen! Was hat der schon in seiner Kiepe, was aber der Weihnachtsmann in seinem Sack! Von Kutsche und Rentier ganz zu schweigen!

Aber der Schein trügt. Die Sarden spinnen keineswegs. Ostern ist historisch und liturgisch das bedeutendere der beiden Feste, auch wenn sich uns das heute ganz anders darstellt.

Ostern auf Sardinien ist die Verschmelzung christlicher Riten mit heidnischen Traditionen. Die liturgischen Feierlichkeiten beginnen am Palmsonntag und steigern sich düster bis zum Karfreitag, um in der Osternacht mit der Auferstehung des Gekreuzigten in Freude förmlich zu explodieren. Wer das einmal miterlebt hat, wird es nie vergessen.

Ostermontag ist dann alles vorbei. Während der Sonntag „in famiglia“ gefeiert wird, drängt es die Sarden am Folgetag nach draußen. Jetzt werden die Picknickkörbe gepackt, und nach den himmlischen Freuden kommen auch die weltlichen nicht zu kurz: Mit Freunden, Verwandten und Nachbarn steigt die erste große Party des Jahres!

Ob die dem kleinen oder dem großen Osterfest zu verdanken ist, hat für mich am Ende des Tages keine Bedeutung mehr. Zu essen, zu trinken und unter Freunden zu sein, ist mir viel wichtiger. Darum fühle ich mich in Sardinien unter Sarden so wohl, und Asterix und Obelix können mich mal …

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann