Sardinien, die "Osterinsel" im Mittelmeer

Es ist soweit, die Karnevalssaison ist vorbei und das bedeutet: Die Osterferien rücken näher. Beschleicht Sie bei diesen Worten eine leichte Nervosität, weil Sie noch nicht wissen, wo es in diesem Jahr hingehen soll? Dann fahren Sie doch auf die Osterinsel! Keine Bange, ich will Sie nicht in den Südostpazifik schicken. Meine Osterinsel liegt nur wenige Flugstunden von Deutschland entfernt.

Sie ahnen es: Ich spreche von Sardinien. Während man hierzulande um diese Zeit mit allem rechnen muss – manchmal kann man vier Jahreszeiten an einem Tag erleben – herrschen auf Sardinien frühsommerliche Temperaturen, und die Niederschlagswahrscheinlichkeit ist gering. Außerdem bezaubert die Insel durch eindrucksvolle Osterbräuche. Das allein macht Sardinien jedoch nicht zur Osterinsel per se, denn diese Merkmale teilt es auch mit anderen mediterranen Osterzielen. Nein – wie auf der Osterinsel am entgegengesetzten Ende der Welt, so gibt es auch auf Sardinien geheimnisvolle, uralte Steinriesen, die sogar eine gewisse „Familienähnlichkeit“ zu den Giganten der Südsee aufweisen:

Kopf eines Boxers, Foto: Prc90, Creative Commons.

Die sardischen Riesen waren Jahrtausende lang buchstäblich vom Erdboden und aus dem Gedächtnis der Menschen verschwunden. Eines schönen Frühlingstages im Jahr 1974 jedoch pflügte Sisinnio Poddi sein Feld am Mont’e Prama auf der Halbinsel Sinis im Westen Sardiniens, als sein Pflug auf ein Hindernis stieß. Der Bauer machte sich daran, den vermeintlichen Feldstein auszugraben, und sah sich dem Kopf eines Giganten gegenüber. Mit der Arbeit auf diesem Feld war es für Signore Poddi dann vorbei, denn in den Jahren zwischen 1975 und 1979 führten Archäologen dort vier Grabungskampagnen durch, weitere folgten in den Jahren 2014 und 2016. Das Ergebnis: Am Mont’e Prama fand man die Reste der bedeutendsten Nekropole der Nuraghen-Kultur.

Plan der Nekropole vom Mont’e Prama, Creative Commons

An diesem besonderen Ort wurden Angehörigen einer aristokratischen Kriegerkaste bestattet. Fast alle Beigesetzten waren junge, kräftige Männer. Auch die 28 Statuen aus Kalkstein, die aus tausenden von Fragmenten rekonstruiert wurden, stellen Kämpfer dar: Boxer, Bogenschützen und Krieger mit Helm, Schild und Schwert. Die Figuren sind zwischen 2 und 2,5 Meter groß. Ihre streng stilisierten Gesichter lassen vermuten, dass es sich hier um Darstellungen von Archetypen, vielleicht gar von gottgleichen Wesen handelt. Die Statuen waren ein Sensationsfund, eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen im Mittelmeerraum im 20. Jahrhundert. Mit einem geschätzten Alter von 3.000 Jahren dürfte es sich um die ältesten freistehenden Großplastiken Europas handeln, womit die Nuragher in dieser Beziehung sogar den Griechen voraus waren.

Boxer mit Schild im Restaurierungszentrum Li Punti, Sassari. Foto: DedaloNur, Creative Commons.

Wenn Sie nun neugierig geworden sind und den geheimnisvollen Riesen bei Ihrem nächsten Sardinienurlaub einen Besuch abstatten möchten, können Sie dies im Museo Civico Giovanni Marongiu in Cabras und im Museo Archeologico Nazionale in Cagliari tun.

Mit einem sardischen „Adiosu“ verabschiedet sich für heute

Ihr Joachim Waßmann

 

Beitragsbild: Capo San Marco auf der Halbinsel Sinis, Foto: Sanna 66, Creative Commons.